Meldungen aus dem Landesverband Hessen
Meldungen aus dem Landesverband Hessen

Stilles Gedenken seit 2012

Individuelle Erinnerung an Soldaten der Bundeswehr

Auf Beschluss des Bundespräsidiums des Volksbunds findet in den Bundesländern seit dem Jahr 2012 ein jährliches Gedenken an den privaten Gräbern derjenigen Soldaten statt, die im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr ihr Leben verloren haben. Für Hessen sind derzeit fünf Todesfälle registriert.

Die Entscheidung darüber, ob an den jeweiligen Todestagen das Gedenken des Volksbunds stattfinden kann, liegt bei den Angehörigen der Verstorbenen. Die Umsetzung des Auftrags des Präsidiums obliegt den Landesverbänden des Volksbunds. In Hessen hat der Landesvorstand diese sensible und verantwortungsvolle Aufgabe seinem Ehrenvorsitzenden Oberst a. D. Jürgen Damm übertragen, der seit 2012 den direkten Kontakt zu den Angehörigen hält. 

Frage: Sehr geehrter Herr Damm, Sie haben mit Kenntnis der Entscheidung des Präsidiums sofort angeboten, diese Aufgabe für den Landesverband zu übernehmen. Was war Ihre damalige Motivation und hat sich diese durch die Konfrontation mit den konkreten Schicksalen und die vielen Gespräche mit den Angehörigen im Laufe der Jahre verändert?

Antwort: Die Bereitschaft, das Gedenken am Grab des in Afghanistan gefallenen und am Grab des an seinen Verwundungen aus dem Afghanistaneinsatz nach einem Jahr verstorbenen Soldaten in Hessen zu übernehmen war – nach der Anfrage meines Landesvorsitzenden, Herrn Staatsminister a. D. Karl Starzacher – zunächst ganz spontan. Die Tatsache, dass die Angehörigen dieser beiden Soldaten ein solches Gedenken gewünscht hatten, war mir Verpflichtung. Dies ist auch in der kameradschaftlichen Nähe zu diesen Menschen als Soldat begründet. Die Bereitschaft diese Aufgabe zu übernehmen wurde auch dadurch befördert, dass der Volksbund in der Vergangenheit versucht hatte, die im Einsatz gefallenen Soldaten in das Gräbergesetz aufzunehmen und damit ein dauerndes Ruherecht sicher zu stellen. Der immer wieder gegebene Hinweis bei dem Gedenken, dass unsere Soldaten die in den Einsatz gehen, aus der Gesellschaft unseres Landes kommen und mit ihrem Gab auf zivilen Friedhöfen wieder in die Gesellschaft zurückkehren, ist mir ganz wichtig.

Frage: Den ersten Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen, die einen solchen Verlust verkraften müssen, ist eine unendlich schwere Aufgabe. Wie haben Sie dies damals umgesetzt und wie waren die Reaktionen und ggf. Erwartungshaltungen von denen Sie uns berichten dürfen?

Antwort: Der erste Kontakt war, neben der Bekundung des tiefen Mitgefühls bestimmt von der Besprechung organisatorischer Fragen, weil das erste Gedenken in Anwesenheit von wichtigen Persönlichkeiten – Bundestagsabgeordnete, Kameraden der Gefallenen, Landesvorsitzender, Vertreter des Landeskommandos Hessen der Bundeswehr und anderen stattfand. Das besondere Erlebnis war, dass durch diese erste Verbindungaufnahme die Grundlage für ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde, das in unterschiedlicher Weise bis zum heutigen Tage trägt.

Frage: Welche Berechtigung für das stille Gedenken des Volksbunds an den Gräbern gab es damals und wie beurteilen Sie dies heute?

Antwort: Die Berechtigung für das Gedenken ergab sich zunächst aus dem Einverständnis der Angehörigen. Zum zweiten findet das Gedenken immer gemeinsam mit Vertretern des zuständigen Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr statt. Das niedergelegte Gebinde trägt sowohl eine Schleife des Volksbundes, als auch eine schwarz – rot – goldene Schleife mit der Aufschrift „Der Bundesminister der Verteidigung“. Dennoch ist allen Beteiligten klar, dass es sich um eine Veranstaltung des Landesverbandes Hessen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge handelt, bei der ich aber immer sehr deutlich mache, dass die Soldaten im Auftrag der Menschen in unserem Land – also aller Bürger – in den Einsatz gehen,  für unsere Sicherheit dort Dienst tun und ihr Leben für uns gegeben haben. Der Volksbund steht bei diesem Gedenken für die Bürger der Bundesrepublik Deutschland.

Frage: Am 8. September 2009 wurde das zentrale Ehrenmal der Bundeswehr auf dem Gelände des Bundesministeriums der Verteidigung eingeweiht. Wie nehmen Sie persönlich diesen zentralen Erinnerungsort in Berlin wahr? Können Sie etwas zur Motivation derjenigen sagen, die 2014 den „Wald der Erinnerungen“ nahe Potsdam angelegt haben?

Antwort: „Das Ehrenmal ist ein wichtiger Markstein in der Geschichte der Bundeswehr. Erstmals gibt es einen zentralen Ort, an dem der militärischen und zivilen Angehörigen der Bundeswehr gedacht wird, die in Folge der Ausübung ihrer Dienstpflichten für die Bundesrepublik Deutschland ihr Leben verloren haben“. Dieses Zitat macht deutlich, dass hier aller im Dienst für Ihr Land zu Tode gekommenen Angehörigen der Bundeswehr gedacht wird. Für die Angehörigen aber auch für mich als Soldat der in langen Jahren viele Kameraden durch Unfälle verloren hat ist das Ehrenmal von großer Bedeutung. Auch weil an diesem Ort das treue Dienen der Verstorbenen für unser Vaterland, die Bundesrepublik Deutschland, gewürdigt wird.

Der „Wald der Erinnerung“ hat einen anderen Hintergrund. Dieser „Wald der Erinnerung“ ist allen Angehörigen der Bundeswehr gewidmet, die im Einsatz ihr Leben verloren. Schon der Ort ist besonders. Der Wald der Erinnerung befindet sich am Standort des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in der Henning-von-Tresckow-Kaserne bei Potsdam. Die Idee wurde von Betroffenen – auch Angehörigen der Verstorbenen / Gefallenen - entwickelt. Ein Ausstellungsgebäude, ein als Ort der Stille bezeichneter Gedenkort und ein 150 Meter langer Weg der Erinnerung bestimmen das Gedenken. Entlang dieses Weges befinden sich die hier wieder aufgebauten Ehrenhaine der Bundeswehr aus den Einsatzgebieten. Die entlang des Weges der Erinnerung aufgestellten Namensstelen machen ein persönliches Gedenken möglich. Für mich steht dieser „Wald der Erinnerung“ in ganz besonderer Weise für das, was wir als Volksbund grundsätzlich verwirklichen wollen. Wir wollen unsere Kriegsgräberstätten – die immer natürlich auch wichtige Orte der Versöhnung und der Mahnung zum Frieden sind – auch zu Orten der Trauer und der Erinnerung machen. Diese Aufgabe erfüllt der „Wald der Erinnerungen“ aus meiner Sicht in herausragender Weise.

Frage: Die Namen der im Auslandseinsatz verstorbenen Soldaten sind heute auch im Internet abrufbar. Wie empfinden Sie diese digitale Form des Gedenkens, auch vor dem Hintergrund Ihrer Tätigkeit im Prädikantendienst der Evangelischen Kirche?

Antwort: Ich bin sehr betroffen, dass die im Einsatz gestorbenen und gefallenen Angehörigen der Bundeswehr – also auch die beiden Soldaten, deren ich zusammen mit Soldaten der Verbindungskommandos und auch Angehörigen - in jedem Jahr am Todestag gedenke, in Übersichten gelistet sind. Besonders schlimm finde ich, dass die Anzahl der gefallenen / gestorbenen  Soldaten der unterschiedlichen Einsatzgebiete in Balkendiagrammen dargestellt werden. Natürlich – da komme ich zu meiner Berufung als Prädikant – erwarte ich in der Darstellung im Internet, dass die Trauer um die Gefallenen  / Gestorbenen zum Ausdruck kommt, und jeder einzelne Tote  in seiner Würde als Ebenbild Gottes gesehen wird. An dieser Stelle könnte ich mir auch eine Initiative des Volksbundes vorstellen.

Frage: Welches Fazit ziehen Sie im Rückblick auf die vor neun Jahren an Sie übertragene Aufgabe?

Antwort: Der Blick zurück auf neun Jahre Gedenken am Todestag der zwei im Einsatz zu Tode gekommenen Soldaten aus Hessen ist von sehr unterschiedlichen Erlebnissen und Gefühlen bestimmt. Da ist die Mutter des einen Soldaten, die bis zum heutigen Tage nicht in der Lage ist an unserem Gedenken teilzunehmen, dies auch weil ihr Mann, der kurz nach seinem Sohn verstorben ist, im Nachbargrab beigesetzt wurde. In den häufigen Kontakten mit der Mutter – Brief, E–Mail, Telefon, stelle ich immer wieder fest, wie wichtig ihr unser jährliches Gedenken und unsere Wertschätzung ist.

Bei dem zweiten Soldaten kommen zur Gedenkfeier Verwandte und Freunde. Die Mutter sagt mir in jedem Jahr, wenn ich nachfrage, ob wir wieder am Todestag gedenken dürfen, „Das steht meinem Sohn zu.“

Mein persönliches Fazit ist: Ich sehe diese Aufgabe – die ich im Auftrag meines Landesvorsitzenden - in jedem Jahr wahrnehme, als eine meiner wichtigsten Tätigkeiten in meiner Eigenschaft als Ehrenvorsitzender des Landesverbandes Hessen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.

In diesem Gedenken wird Wirklichkeit, was uns unser Bundespräsident in jedem Jahr im Totengedenken bei der zentralen Feier zum Volkstrauer tag als Auftrag ins Stammbuch schreibt:  „Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.“

Sehr geehrter Herr Damm, für das großartige Engagement und den heute gewährten Einblick in diese stille Gedenk- und Erinnerungsarbeit bedanke ich mich herzlich und freue mich, dass Sie diese fortsetzen werden.

Das Interview führte die Geschäftsführerin des Landesverbandes Hessen.