Meldungen aus dem Landesverband Hessen
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Eindrücke aus dem Geschichtspraktikum beim Volksbund

Recherche zum Darmstädter Waldfriedhof

Recherche in den Dokumenten im Landesverband Hessen Volksbund/Landesverband Hessen

Mein Name ist Nicolas und ich habe mich – im Rahmen meines Geschichtsstudiums an der TU Darmstadt – für ein zwölfwöchiges Praktikum beim Landesverband Hessen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. entschieden, das ich nun absolviert habe und eine ganz besondere Erfahrung für mich darstellt.

Warum der Volksbund?

Bei der Suche nach einem Praktikumsplatz war mir von vornherein klar, dass ich in keinem Museum oder Archiv versauern möchte. Viel mehr hatte ich den Wunsch, eine Ehrensache zu vertreten, Geschichte greifbarer und menschlicher zu erleben. Am Volkstrauertag 2024 kam mir dann die Idee, mich für ein Praktikum beim Volksbund zu bewerben und einen Blick hinter die Kulissen der Erinnerungskultur zu werfen. Das stille Gedenken und Friedhöfe sind mir nicht gänzlich unbekannt. Schon als Kind half ich regelmäßig bei der Pflege der Gräber meiner verstorbenen Familienangehörigen, wie z.B. das Grab meiner Großmutter, die noch vor meiner Geburt verstorben war. Auch als Kind wurde mir bereits schnell bewusst, wie wichtig Gedenkorte als Orte emotionaler Verbundenheit sind - so hat mich auch der Anblick der Soldatengräber auf dem Friedhof meiner Heimatstadt in jungen Jahren berührt. Die leicht verwitterten und beinahe schon altertümlich wirkenden, kreuzförmigen Grabsteine, schlicht und ganze ohne Kitsch und Prunk, habe ich schon damals als Besonderheit empfunden, auch wenn zwischen den dort ruhenden Gefallenen und mir Generationen und vergangene Gesellschaften liegen.

 

Rahmen des Praktikums

Der Hauptaufgabenbereich, der mir vermittelt wurde, betraf vor allem den Waldfriedhof Darmstadt, von dem ich zwar schon gehört, den ich aber bis dahin noch nie besucht hatte. Beim ersten Kennenlerngespräch mit dem Landesverband und seinen Mitarbeitern habe ich mich sofort gut aufgehoben gefühlt und gleich am nächsten Tag den Waldfriedhof besucht, um mir ein Bild zu machen. Geplant sollte eine vollumfassende Bestandsaufnahme der Kriegsgräber und dementsprechender Forschung auf dem Waldfriedhof sein.

Auf dem Waldfriedhof in Darmstadt, der zu Beginn des Ersten Weltkrieges angelegt wurde, sind mehrere tausend Tote der beiden Weltkriege bestattet. Unter ihnen sind deutsche und ausländische Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges, die in Kriegsgefangenenlagern und Lazaretten verstarben, aber auch deutsche Zivilisten, die bei den zahlreichen Luftangriffen auf die Stadt ums Leben kamen. Die meisten von Ihnen starben während der sogenannten „Darmstädter Brandnacht“, dem schwersten Luftangriff auf die Stadt in der Nacht auf den 12. September 1944.

Auf zwei weiteren Gräberfeldern liegen zahlreiche ausländische Tote des Zweiten Weltkrieges bestattet, die meisten von ihnen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter - sie stammten unter anderem aus Polen, Belgien, Estland, Frankreich, der Ukraine, Litauen, Russland oder Rumänien.

Insgesamt habe ich das riesige Areal, ob im winterlichen Nebel zwischen kahlen Bäumen oder dicht bewachsen im warmen Sonnenschein, als einen sehr würdigen Ort wahrgenommen. Auch habe ich mit dem Praktikumsbeginn im Februar die wohl beste Jahreszeit für dieses Projekt gewählt und dem Frühling bei seinem Treiben zuschauen können. Oft wurde ich vor Ort immer wieder Zeuge davon, wie sich, trotz des düsteren Hintergrundes der Gedenkstätte mit seinen vielen Kriegstoten, doch eine gewisse, friedliche Lebensbejahung erkennen lässt, sei es durch junge Familien, die den Ort bei einem Spaziergang sporadisch besuchen oder durch neugierige Eichhörnchen, die mich bei meiner Arbeit regelmäßig begrüßten.

Rechercheprojekt

Meine ersten Tage des Praktikums bestanden darin, die bereits vorhandenen Akten und Dokumente zum Darmstädter Waldfriedhof zu sichten. Das war mein erster interner Einblick in die Arbeit des Volksbundes. Zwischen Mitteilungen an Angehörige gefallener Soldaten, Berichte über Knochenfunde, Graböffnungsprotokolle, Planung von Schulprojekten und Ermittlungen bezüglich Zwangsarbeitern und „Displaced Persons“ verstand ich schnell, dass (Kriegs)gräberfürsorge nicht nur bedeutet, Gedenkorte und Grabanlagen zu gestalten und zu pflegen, sondern dass der Volksbund vor allem einen vermittelnden und (auch länderübergreifenden) diplomatischen Auftrag hat.

Die darauffolgende digitale Übertragung der teilweise analogen Gräberlisten gestaltete sich ausführlicher und detailreicher als gedacht. Mit der Hilfe der Aktenbestände und diversem Archivgut, wie z.B. aus den „Arolsen Archives“ lassen sich viele Hintergründe der auf dem Waldfriedhof Bestatteten erforschen und das Bild wird klarer. Zwar liegen die Weltkriege zeitlich bereits weit in der Vergangenheit, doch es lässt sich nachvollziehen, wie einzelne Individuen, Menschen „wie du und ich“, gelebt haben und mit welchen Herausforderungen und Schicksalsschlägen sie zu kämpfen hatten. Bei manch eines Vermisstengesuchs oder bei bitteren Sterbeurkunden kann einem schon das Herz brechen – keine Arbeit für schwache Nerven. Empathievermögen und starke Gemüter dürften Voraussetzung für die Forschung des Volksbundes sein.

Landesverband Hessen Landesgeschäftsstelle