Meldungen aus dem Landesverband Hessen
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"Historisch Lernen mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge"

Examensarbeit zu Bildungsmodul in Nordhessen

Examensstudent Tom Hartwigk

Examensstudent Tom Hartwigk Volksbund/Maike Bartsch

„Historisch lernen mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge? Das Beispiel History Caching an der Burg Ludwigstein“ – so lautet der Titel der Abschlussarbeit des Kasseler Lehramtsstudenten Tom Hartwigk. Über mehrere Monate hinweg hat der 26-Jährige sich mit den pädagogischen Konzepten des Volksbundes befasst und dem Team der Regionalstelle im Landesverband Hessen über die Schulter geschaut. Vorbereitungen und Durchführungen eines Bildungsmoduls hat er mehrfach begleitet und sich eigene Eindrücke gemacht. Hartwigk studiert Geschichte, Sport und Germanistik an der Universität Kassel. Das von ihm bewertete Bildungsangebot “History Caching” ist ein Kooperationsprojekt des Landesverbandes Hessen mit der Jugendbildungsstätte Ludwigstein

 

Lieber Herr Hartwigk, hatten Sie, bevor Sie sich im Rahmen Ihrer Examensarbeit intensiv mit unseren pädagogischen Konzepten befasst haben, schon einmal mit dem Volksbund zu tun? Kannten Sie den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge? 

Ich kannte die Organisation, hatte jedoch noch keinen Bezug zu ihr. Von diversen Gräberstätten und Erinnerungsorten kannte ich bereits einige vom Volksbund erstellte Informationstafeln. Zudem wusste ich, dass der Volksbund Veranstaltungen wie z. B am Volkstrauertag organisiert. Über das große und breite Programm des Volksbundes im pädagogischen Bereich hatte ich bis zur Erarbeitung der Examensarbeit noch keinerlei Wissen. Umso mehr habe ich mich gefreut, viele neue Perspektiven und Konzepte kennenzulernen.

Wichtige Erfahrungen, die auch die persönliche Lebenswelt betreffen

Haben Sie das Thema Ihrer Arbeit selbst bzw. bewusst gewählt? 

Das Thema meiner Examensarbeit habe ich in Zusammenarbeit mit meinem Prüfer Dr. Luigi de Ambrosia erarbeitet. Ich wollte ein Thema mit Bezug zum außerschulischen Lernen bearbeiten, da ich diesen Bereich der Geschichtsdidaktik für sehr interessant und für äußerst wertvoll halte. Durch die aktuellen politischen Ereignisse ist mir bewusst geworden, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden ist. Kriegsgräberstätten und Friedhöfe bieten dabei die Möglichkeit, über historische Ereignisse auch die Gegenwart und Zukunft zu erreichen. Durch außerschulische Lernarrangements können die Schülerinnen und Schüler wichtige Erfahrungen machen, die auch die persönliche Lebenswelt betreffen.

Welche Schwerpunkte haben Sie gesetzt, was wollten Sie wissen?

Der Fokus meiner Arbeit richtete sich auf die Fragestellung, wie der Volksbund mit seinem pädagogischen Konzept dazu beitragen kann, dass Schülerinnen und Schüler historisch lernen und welchen Wert Kriegsgräberstätten als außerschulische Lernorte einnehmen. Durch die Kooperation mit der Regionalstelle des Landesverbandes Hessen im Volksbund konnte ich dann das Geländespiel „History Caching“ begleiten und es als Beispiel für die pädagogische Arbeit heranziehen. Die Untersuchung des Projekts und dessen Einbindung in den Geschichtsunterricht waren für mich ein interessanter und lehrreicher Prozess. 

Waren Sie skeptisch, als Sie erfahren haben, dass Sie sich mit Kriegsgräberstätten und ihrem pädagogischen Potential befassen sollten?

Ich war nicht skeptisch, eher neugierig. Durch eine Hausarbeit im Rahmen des Geschichtsstudiums habe ich mich bereits mit der Gedenkstätte Breitenau und dem dort etablierten Bildungsangebot beschäftigt. Aufgrund dieser Erfahrung war ich mir sicher, dass auch Kriegsgräberstätten ein pädagogisches Potenzial aufweisen. Des Weiteren war ich gespannt, wie der Volksbund dieses Potenzial ausschöpft. 

Werte und Bezüge zur eigenen Lebenswelt herstellen

Sie haben das Geländespiel „History Caching“, das wir in Kooperation mit der Jugendburg Ludwigstein anbieten, zweimal begleitet. Was ist Ihnen aufgefallen, was hat Sie überrascht, was hätten Sie so vielleicht nicht erwartet? 

Das Geländespiel „History Caching“ hat mich vollkommen überzeugt. Bereits vor der Durchführung des Projekts habe ich mir die Beschreibungen durchgelesen und empfand die Verbindung von Geschichte mit spielerischen und interaktiven Methoden sehr interessant. Durch den Spielcharakter des Projekts werden die Schülerinnen und Schüler dazu motiviert, sich mit Themen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs auseinanderzusetzen. Soziale Kompetenzen stehen bei dem Geländespiel im Fokus. Ich konnte beobachten, wie die Gruppen miteinander kommunizieren und interagieren, um das gemeinsame Ziel – alle Caches zu finden – zu erreichen. Der biografische Zugang, also das Kennenlernen verschiedener Einzelschicksale von Menschen, die auf der Gräberstätte begraben sind, war sowohl für mich als auch für die Schülerinnen und Schüler eine neue sowie aufschlussreiche Methode. Historische Ereignisse bekommen durch diesen Zugang eine persönlichere Ebene, zudem erhalten die bis dahin kennengelernte Fakten und Zahlen ein „Gesicht“. Jedoch ist mir auch aufgefallen, dass einige Schülerinnen und Schüler nur wenig bis gar kein Interesse an der Geschichte haben. Gerade für sie ist das Geländespiel eine gute Möglichkeit, um induktiv historisches Wissen, Werte und Bezüge zur eigenen Lebenswelt herstellen zu können. 

Der Titel Ihrer Examensarbeit ist als Frage formuliert: „Historisch lernen mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge?“. Wie ist Ihre Antwort? 

Der Volksbund bietet vielfältige Möglichkeiten, historisch zu lernen. Schülerinnen und Schüler lernen Ursachen und Folgen historischer Ereignisse kennen und verstehen, wie verschiedene Faktoren zusammenwirken und historische Entwicklungen beeinflussen. Mithilfe der Einzelschicksale wird den Lernenden das geschichtsdidaktische Prinzip der Multiperspektivität verdeutlicht. Sie lernen verschiedene Perspektiven und Interessen von Akteuren in der Vergangenheit kennen und verstehen, dass Geschichte oft von verschiedenen Gruppen unterschiedlich wahrgenommen wird. Beim Bildungsmodul an der Kriegsgräberstätte Ludwigstein werden die Lernenden durch die versteckten Caches und die darin verborgenen Objekte mit Quellenarbeit konfrontiert, was ebenfalls ein wichtiger Aspekt des historischen Lernens ist. „History Caching“ lehrt den Schülerinnen und Schülern, ein kritisches Urteil über historische Ereignisse, Personen oder Prozesse zu entwickeln. Ein Schwerpunkt ist der Gegenwarts- und Zukunftsbezug: das Lernen aus der Vergangenheit, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten. Hier wird Geschichtsbewusstsein entwickelt.

Wie ist Ihre Wertung: Wie gut taugen Kriegsgräberstätten als außerschulische Lernorte? 

Außerschulische Lernorte bieten den Schülerinnen und Schülern eine Möglichkeit, Geschichte außerhalb des Klassenzimmers kennenzulernen. Die Kriegsgräberstätte an der Burg Ludwigstein hat dabei ein enormes Potential, da auf dieser Gräberstätte viele verschiedene Kriegsopfergruppen bestattet sind. Hier wird eine vertiefende Auseinandersetzung mit Themen aus dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg sowie der Nachkriegszeit ermöglicht. Der Standort der Gräberstätte und die Vergangenheit der Burg Ludwigstein bieten darüber hinaus eine Perspektive auf die Regionalgeschichte, da sie an der deutsch-deutschen Grenze liegt und Teil der deutschen Jugendbewegung war. Die Kriegsgräberstätte ist ein Ort, an dem die Vergangenheit erfahrbar und emotional zugänglich gemacht werden kann.

Haben Sie die Praxistage in unserem Projekt motiviert für Ihre Zukunft als Lehrer? Oder sehen Sie Probleme? 

Ich werde solche Projekte definitiv in meinen Unterricht einbauen. Sie sind eine optimale Ergänzung zum regulären Fachunterricht. Ich sehe allerdings auch Probleme in der Umsetzung. Aufgrund von strikten Zeitplänen und curricularen Vorgaben ist eine Exkursion nur bedingt möglich, sie ist mit Kosten und viel Zeit verbunden. Dennoch ist das Potenzial solcher Praxistage enorm und sollte in den Schulalltag integriert werden. 

Haben Sie schon Ziele für die Zeit nach dem Studium? 

Zunächst möchte ich mein Studium erfolgreich abschließen und das Referendariat absolvieren. Mein Ziel als Geschichtslehrer ist, dass sich Schülerinnen und Schüler für Geschichte interessieren. Dass der Unterricht ihnen zeigt, dass es sich nicht nur um Faktenwissen über die Vergangenheit handelt, sondern dass wir anhand der Vergangenheit auch die Gegenwart und Zukunft beeinflussen können. Ich möchte meinen Schülerinnen und Schülern zeigen, dass Geschichtslernen Spaß machen kann und auch wichtig für die Identitätsbildung ist. Gerade weil wir uns in einer Zeit befinden, in der die Zeitzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg schwinden, ist die Vermittlung von Wissen über diese Zeit enorm wichtig und sollte unterstreichen, dass so etwas nie wieder passieren darf. 

Würden Sie Mitglied im Volksbund werden? 

Ja, ich würde Mitglied des Volksbundes werden!

Lieber Herr Hartwigk, herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen und für Ihre positive Beurteilung. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft!

 

Die Fragen stellte Dr. Maike Bartsch, Regionalbeauftragte Hessen Nord im Landesverband Hessen im Volksbund.