Meldungen aus dem Landesverband Hessen
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Wie starben die Toten des »Russenfriedhofs« Klein-Zimmern?

Informationstafel für die Kriegsgräberstätte noch für dieses Jahr geplant

Anonymes Begräbnis an abgelegenem Ort: Der Friedhof der sowjetischen Kriegsgefangenen bei Klein-Zimmern. Götz Hartmann, Landesverband Hessen

Der Volksbund in Hessen plant für 2021 die öffentliche Übergabe einer Informationstafel für die Kriegsgräberstätte in Klein-Zimmern. Auf dem abseits gelegenen Friedhof im Landkreis Darmstadt-Dieburg sind mehr als 400 sowjetische Kriegsgefangene bestattet. Sie starben zwischen 1941 und 1945 in einem benachbarten Lazarett.

Bislang keine Informationen vor Ort

Zugänglich ist die Kriegsgräberstätte nur über Feldwege. Ein Schild in Klein-Zimmern weist allgemein in ihre Richtung. Am »Russischen Soldatenfriedhof« selbst gibt es bis heute keine Informationen zum Schicksal der hier begrabenen Toten. Warum und unter welchen Umständen gerade sowjetische Kriegsgefangene im Lazarett von Klein-Zimmern in so großer Zahl verstarben, ist vor Ort nicht öffentlich dokumentiert. Ein »Runder Tisch« von Akteurinnen und Akteuren der örtlichen Gedenkkultur, an dem auch der Volksbund Hessen beteiligt war, forderte im August 2020 ein Ende dieses Zustands.

Aufnahme ins Forschungsprojekt des Landesverbands

»Im Anschluss an das Rundtischgespräch habe ich dem Bürgermeister der für den Friedhof verantwortlichen Gemeinde Groß-Zimmern vorgeschlagen, die von allen Beteiligten gewünschte Informationstafel für die Kriegsgräberstätte im Rahmen unseres historischen Forschungsprojekts zu realisieren«, sagt Volksbund-Landesgeschäftsführerin Viola Krause. Die Annahme des Vorschlags durch Bürgermeister Achim Grimm machte es nötig, die Arbeitsschwerpunkte im Forschungsprojekt kurzfristig neu zu gewichten. »Mit Billigung des Landesvorstands haben wir der geplanten Informationstafel Vorrang eingeräumt und freuen uns, jetzt das Ergebnis unserer Arbeit vorstellen zu können«, sagt Viola Krause.

Quellen aus Staatsarchiven und privater Sammlung

Ausgewertet wurden Quellen aus den hessischen Staatsarchiven in Wiesbaden und Darmstadt, darunter die Entnazifizierungsakte des Lazarett-Chefarztes Hugo Kämmler. Unterstützung erfuhr die Arbeit durch Heinz-Adolf Renkel aus Reinheim, der seit den 1980er Jahren ein umfangreiches Privatarchiv zur Geschichte des Lazaretts und der Kriegsgräberstätte zusammengetragen hat. Der Text der geplanten Informationstafel ist bereits jetzt auf der Internetseite des Landesverbands zugänglich.

Einweihung am 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion geplant

Geplant ist aktuell, die Informationstafel mit deutschem Text und russischer Übersetzung am 22. Juni 2021 einzuweihen, dem 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion – vorbehaltlich der gegenwärtig nicht absehbaren Entwicklung der Corona-Pandemie.

 

Im St. Josephshaus Klein-Zimmern, einer 1939 durch das NS-Regime beschlagnahmten Jugendfürsorgeeinrichtung des Bistums Mainz, war während des Zweiten Weltkriegs eine Abteilung des Reservelazaretts Dieburg untergebracht. Das Teillazarett in Klein-Zimmern nahm verwundete, erkrankte und verletzte Kriegsgefangene auf. Ab 1941 stammte die Mehrzahl der Gefangenen aus Serbien und der Sowjetunion. Von 1943 an kamen italienische Militärinternierte hinzu.

Der Krieg gegen die Sowjetunion wurde von deutscher Seite als Vernichtungskrieg geführt. Der Tod von Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen durch Hunger, Krankheit und Erschöpfung war dabei einkalkuliert. Wurden die Gefangenen, die in Deutschland schwerste Zwangsarbeit leisten mussten, von ihren »Mannschafts-Stammlagern« (Stalags) in Lazarette eingewiesen, waren sie in der Regel stark unterernährt und vielfach bereits schwer krank.

Die vorsätzlich völkerrechtswidrige Behandlung setzte sich auch im Lazarett von Klein-Zimmern fort. Die sowjetischen Gefangenen erhielten lediglich dünne Decken und äußerst geringe Essensrationen. Nach dem Krieg erinnerte sich ein ehemaliger serbischer Patient daran, dass die »Russen« vor Hunger im Abfallhaufen nach Essbarem gesucht hatten.

Entsprechend hoch – und wesentlich höher als bei den Patienten aus anderen Armeen – war die Sterblichkeit unter den sowjetischen Gefangenen. Begraben wurden sie in Sammelgräbern auf einem Acker außerhalb von Klein-Zimmern, den die Gemeinde zur Verfügung gestellt hatte. Die genaue Zahl der Toten ist unbekannt.

Das heutige Erscheinungsbild der zuvor stets von Verwahrlosung bedrohten Kriegsgräberstätte geht auf eine Umgestaltung nach Vorschlägen des Volksbunds im Jahr 1961 zurück.