Mit den Fragen des kollektiven Erinnerns und Vergessens beschäftigen sich in diesem Jahr mehrere Arbeiten auf dem 41. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest.
Mit den Fragen des kollektiven Erinnerns und Vergessens beschäftigen sich in diesem Jahr mehrere Arbeiten auf dem 41. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest.
Für die nachfolgenden Filme ist der Landesverband Hessen Kooperationspartner:
Das in Oberösterreich gelegene Braunau am Inn, direkt an der Grenze zu Deutschland liegend, ist kein Ort wie jeder andere. Bekannt ist die Stadt vor allem für eines: Hier steht das Geburtshaus Adolf Hitlers und sorgt für eine zweifelhafte Bekanntheit, die die Gemeinde am liebsten loswerden oder zumindest vergessen möchte. Bis sich der Filmemacher Günter Schwaiger fragt, warum eigentlich noch nie ein Film über die Stadt und ihre historische Bedeutung sowie über deren Umgang mit der Vergangenheit gedreht worden war. Dieser Frage, die auch eine über das Vergessen und Verdrängen der eigenen unrühmlichen Vergangenheit ist, geht der mehrfach ausgezeichnete Film nach. Er erkundet die verborgenen Mechanismen des Wegschauens und Ignorierens, spricht mit Bewohner*innen der Stadt, heimlichen Hitler-Verehrern, die das Haus umschleichen, begleitet eine Lehrerin, die sich darum bemüht, die Geschichte und die daraus resultierende Verantwortung lebendig zu halten und landet schließlich auch in der Familiengeschichte des Filmemachers selbst. Und so entsteht aus einer Beobachtung in der Provinz ein Werk, dessen Bedeutung ebenso lehrreich wie universell für unseren Umgang mit der Historie ist.
15.11. - 10:00 Uhr - Gloria Kino und auf DokfestOnline
Sie gilt als eine der umstrittensten „Künstlerinnen“ des 20. Jahrhunderts. Ihre heroischen Bildwelten – etwa in „Triumph des Willens“, ihrem einflussreichen NS-Propagandafilm über den Nürnberger Parteitag der NSDAP 1934, oder „Olympia“, der die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, Aushängeschild des Hitler-Regimes – feiern das Überlegene, die Macht des Starken. Und drücken zugleich die ideologische Verachtung des Unvollkommenen, der vermeintlich Kranken und Schwachen aus. Heute ist ihre Ästhetik präsenter denn je – und damit auch ihre Botschaft? Veiels Film geht dieser Frage nach. Anhand zahlreicher Dokumente aus Riefenstahls nun zugänglichem Nachlass, darunter private Filme, Fotos, Tagebücher, Interviews und aufgezeichnete Telefonate, legt er einzelne Facetten ihrer Biografie frei und setzt sie in einen Kontext von Geschichte und Gegenwart. Ihre strikte Leugnung, die Wechselwirkung ihrer „Kunst“ mit dem Terror der NS-Diktatur anzuerkennen, erweist sich als mehr als nur abgewehrte Schuld: In persönlichen Briefen trauert sie ihren „gemordeten Idealen“ nach. Ebenso wie ihre Fans, die von einer ordnenden Hand träumen, die endlich mit dem „Scheißstaat“ aufräumen soll. Eine Renaissance ihres Werkes erscheint ihnen als sicher.
15.11. - 20:00 Uhr - Gloria Kino
„Im Jahr 2022 überfällt mein Land die Ukraine. Die ständige Präsenz des Krieges in meinem zuvor gemütlichen russischen Alltag vermischt sich mit der Trennung von meinem Mann. Ich verliebe mich in eine Frau. Sie denkt darüber nach, eine Protestaktion gegen das Regime zu starten. In ihrer Lunge wird Krebs festgestellt. Sie droht zu ersticken. Unsere Verabredungen durch die Krankenhaustüren überlagern sich mit der symbolischen Szenerie meiner Stadt, die zum Töten aufruft.“ – Yana Sad.
Regisseurin Yana Sad trägt schon lange einen Fotoapparat bei sich, aber erst als sie sich unerwartet in Yaroslava verliebt, benutzt sie ihn – um die kostbaren und zugleich ambivalenten Momente festzuhalten. Inmitten des Chaos des russischen Einmarsches in der Ukraine und inmitten von Yaroslavas Kampf gegen den Lungenkrebs beginnt ihre emotionale Achterbahnfahrt in einer kollabierenden Lebensrealität. Einziger Anker ist die wachsende Liebe der beiden Frauen, die in all ihrer Verletzlichkeit, Zärtlichkeit und Intimität gelebt und gezeigt wird. In diesem zutiefst persönlichen und aufrüttelnden Filmessay wird spürbar: Der Wille zur Liebe ist stärker als der Sturm des Krieges.
15.11. - 21:45 Uhr - Filmladen
Nathaniel Knop erschließt mit seinem Film nicht nur das Werk von Nathan Farb, sondern auch die Persönlichkeit eines faszinierenden Künstlers. In den siebziger Jahren stehen die Zeichen auf atomare Abrüstung zwischen den Großmächten. Symbolisch findet ein Kulturaustausch statt. Das Bolschoi-Theater gastiert in den Vereinigten Staaten, eine große Fotoausstellung der USA wird in der UDSSR gezeigt. Der junge, von Diane Arbus beeinflusste Fotograf mit europäischen Wurzeln darf mit der US-Delegation Nowosibirsk besuchen, wo er unzählige Porträts russischer Familien macht. Es gelingt ihm, das Polaroid-Material nach New York zu schmuggeln. Daraus entsteht sein erstes Fotobuch, das den Beginn seiner Karriere markiert. Im Zuge der Digitalisierung gelangt die Serie ins Internet, wo sich einige der Porträtierten von damals wiederfinden. Obwohl Farb sich seit Jahrzehnten von der Porträtkunst ab- und der Landschaftsfotografie zugewendet hat, kehrt er 40 Jahre später nach Sibirien zurück, um das Shooting mit einigen seiner „Modelle“ zu wiederholen. Auf die Zeitreise in die Siebziger des Kalten Krieges folgt eine Reise in die vom Kreml aufgeheizte Gegenwart am Vorabend des Angriffskrieges auf die Ukraine.
13.11. - 12:00 Uhr Gloria Kino und auf DokfestOnline
Das Kasseler Dokfest macht eine Zufallsentdeckung und die Kassel-Trilogie KASSEL, ANNÉES 30: UNE TRILOGIE ALLEMANDE (KASSEL, 30ER JAHRE: EINE DEUTSCHE TRILOGIE) der französischen Filmemacherin Catherine Bernstein feiert nach fast 30 Jahren Deutschlandpremiere: Am Samstag, 16.11. und Sonntag, 17.11. sind im Gloria Kino die drei zwischen 1996 und 1999 gedrehten Dokumentarfilme zu sehen, die in bemerkenswerter Weise in die Auseinandersetzung mit innerfamiliärer Schuld und Verstrickung im Nationalsozialismus gehen und einen Teil der Kasseler Stadtgeschichte und seiner Bewohner*innen zeigen. Mit Hilfe des Stadtarchivs begibt sich Catherine Bernstein außerdem auf weltweite Suche: Was ist aus den sieben jüdischen Mitschülerinnen ihrer Großmutter geworden, die auf den Fotos der in der Nachkriegszeit jährlich stattfindenden Klassentreffen fehlen?
OMA und LES RAISINS VERTS: 16.11. - 14:30 Uhr - Gloria Kino
LES ABSENTES: 17.11. - 14:30 - Gloria Kino
Die Regisseurin ist im Anschluss an die Screenings zum Gespräch vor Ort: über Kassel, übers Erinnern und Vergessen und die Aktualität ihrer Arbeit.
Hier können Sie das komplette Festivalprogramm ansehen. Der Festivalkatalog liegt frisch gedruckt in den Kasseler Programmkinos aus und ist nun auch online!
Informationen zu den Tickets finden Sie hier und alle weiteren Informationen erhalten Sie unter https://www.kasselerdokfest.de/aktuelles.
(28.10.2024 ABR)