Meldungen aus dem Landesverband Hessen
Meldungen aus dem Landesverband Hessen

Tod zwischen Krieg und Frieden

Der Landesverband Hessen erinnert an eine Munitionsexplosion in Bad Homburg v. d. Höhe

Amerikanische Truppen im Rhein-Main-Gebiet, 31. März 1945 U.S. Army/Public Domain

Bad Homburg v. d. Höhe, 9. April 1945. Mitten am Tag erschüttert eine schwere Explosion den Kurpark. Kinder haben sie beim Spielen mit Munition ausgelöst, zwei Jungen sterben. Seit zehn Tagen schon – so lange ist die Stadt von US-Truppen besetzt – ist in Bad Homburg der Zweite Weltkrieg zu Ende, aber seine Gefahren sind noch nicht gebannt. Der hessische Landesverband des Volksbunds hat die Geschichte des Unglücks recherchiert und die Ergebnisse auf seiner Internetseite veröffentlicht.

Exemplarisches Schicksal

»Zu den Opfern der Weltkriege zählten auch Menschen, auf die keine der gesetzlichen Bestimmungen zutrifft, nach denen die Gräber von Kriegstoten in Deutschland dauerhaft erhalten und aus öffentlichen Mitteln gepflegt werden müssen«, erklärt Landesgeschäftsführerin Viola Krause. Unter ihnen waren viele Kinder, die nach dem Ende der eigentlichen Kampfhandlungen bei Unfällen mit Munition, Minen, Blindgängern und weggeworfenen Waffen ums Leben kamen. »Überall, wo Krieg herrscht, ist dies auch heute so«, sagt Viola Krause. »Das Schicksal der beiden Jungen aus Bad Homburg steht exemplarisch für diese Opfer der Kriege.«

Krieg für Kinder auch ein Abenteuer

Die US-Armee nimmt Bad Homburg am 30. März 1945 kampflos ein. Weiter nördlich, wo eine Waffen-SS-Division Widerstand leistet, halten die Gefechte noch einige Tage an. Truppen ziehen durch die Stadt, nehmen Quartier und rücken wieder ab, Nachschubkonvois füllen die Straßen. Die Lage ist unruhig und unübersichtlich, hat für Kinder aber auch einen abenteuerlichen Reiz. Ein Zeitzeuge, geboren 1935, erzählt:

»Es war noch Krieg. Die Amis waren nett zu uns, ließen uns mit zehn Jahren Jeep fahren, ein Soldat saß dabei. Der Homburger Kurpark war zerwühlt von den Panzern. In jedem Gebüsch lagen Waffen. Wir brachten sie zu den Amis und bekamen Süßigkeiten dafür.«

Unter noch nicht abschließend geklärten Umständen kommt es aus dieser Situation heraus am 9. April 1945 in Bad Homburg zu einer Katastrophe. Als Kinder auf offenbar unbewachten US-Panzern im Kurpark spielen, explodiert Munition. Ein weiterer Zeitzeuge, damals vier Jahre alt, erinnert sich:

»Eine größere Gruppe von Jugendlichen im Alter bis zu – geschätzt – 12–15 Jahren, darunter ich, turnten in den Panzern herum, füllten leere Geschosshülsen mit Benzin u. a. m. Meine Mutter rief mich vom Balkon unserer Wohnung im zweiten Geschoss mehrmals eindringlich zum Essen. Ich verließ den ‚Spielplatz‘ murrend.

Beim Essen vernahmen wir eine starke Explosion und konnten vom Eckbalkon die explodierten Panzer sehen. Kurz darauf sahen wir mehrere amerikanische Sanitäter mit Tragen die Ferdinandstraße Richtung ‚Alter Bahnhof‘ heraufrennen. Später erfuhr ich, dass es mehrere tödlich Verletzte gab […]. Leider kann ich mich nicht mehr an die Namen erinnern. Haften blieb mir nur ein anderer älterer Junge mit dem Vornamen Adolf.«

Mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich bei dem hier erwähnten Jungen um Adolf Schilling aus Bad Homburg, der gerade zehn Jahre alt geworden war. Das tödlich verletzte Kind wurde von US-Soldaten ins Frankfurter Städtische Krankenhaus gebracht, wo es bei seiner Notoperation verstarb. Das zweite Todesopfer der Explosion, der fünfjährige Hermann Bauer, erlag seinen Verletzungen bereits am Ort des Unglücks. Beide Kinder wurden in privaten Gräbern bestattet; ein Anspruch auf Umbettung in den Kriegsgräberteil des Bad Homburger Waldfriedhofs bestand nie.

Typische Gefahren eines zu Ende gehenden Krieges

Dokumentiert ist die Geschichte der Munitionsexplosion bei den Informationen zur Kriegsgräberstätte auf dem Bad Homburger Waldfriedhof, die der Volksbund in Hessen in seinem historischen Forschungsprojekt zusammengetragen hat. »Auch wenn die Kinder nicht in Kriegsgräbern beerdigt sind, können wir auf diese Weise an ihr Schicksal erinnern, in dem sich die typischen Gefahren eines zu Ende gehenden Krieges spiegeln«, sagt Dr. Götz Hartmann, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Landesverbands das Forschungsprojekt betreut. »Außerdem hoffen wir, mit der Veröffentlichung Zeitzeuginnen und Zeitzeugen anzusprechen, die mit eigenen Erinnerungen dazu beitragen, dass die Umstände des Unglücks weiter aufgeklärt werden können.«