Meldungen aus dem Landesverband Hessen
Meldungen aus dem Landesverband Hessen

Finja Sander am Kasseler Mahnmal

Kunstperformance zu Erinnerungskultur und Denkmalgeschichte

FINJA SANDER Für Morgen_standort_11_Mahnmal (Karlsaue), Kassel

FINJA SANDER Für Morgen_standort_11_Mahnmal (Karlsaue), Kassel Cami Laconich


Nach brisanten, schwierigen, unhandlichen, vielschichtigen Orten der deutschen Gedenkkultur sucht die Berliner Künstlerin Finja Sander. Fündig geworden ist sie auch in Kassel. Am Mahnmal in der Karlsaue, das an getötete Soldaten der beiden Weltkriege erinnert, hat sie den elften Teil ihrer performativen Reihung „FürMorgen-standort-1-12“ stattfinden lassen. Vielleicht abgehoben, losgelöst und über den Dingen schwebend, vor allem aber Assoziationen weckend, hängt Sander für jeweils eine Stunde in einem Gerüst aus Metallstangen und neongelben Spanngurten und geht – schweigend und mit geschlossenen Augen – in Korrespondenz mit dem jeweiligen Erinnerungsort. Sander kreiert so mit ihrer eigenen Körperlichkeit einen Bezug zum Denkmal, der nicht „in Stein gemeißelt“ ist, sondern immer neu gedacht werden muss.
 

Barlach in Güstrow, Sander in Kassel

Seit vielen Jahren sucht die junge Künstlerin die Auseinandersetzung mit Formen und Ritualen des Gedenkens in der deutschen Erinnerungslandschaft. Angelehnt ist ihre aktuelle Arbeit an die Bronzefigur „Der Schwebende“, die Ernst Barlach 1927 für den Güstrower Dom erschuf. Barlach wollte ein Denkmal anderer Art, eines, das mit dem üblichen Heldengedenken der Nachkriegszeiten brach, Kriegsschuld thematisierte und Trauer in den Mittelpunkt rückte. Zehn Jahre nach ihrer Entstehung brandmarkten die Nationalsozialisten Barlachs Figur als entartet und schmolzen sie ein.

Greifbare Parallelen ergeben sich zu der Figur des unbekannten Soldaten, die der Bildhauer und Hochschullehrer Hans Sautter im Nachgang zum Ersten Weltkrieg für das „Ehrenmal“ in Kassel fertigte. Während die Veteranenverbände hier mit Gedenktafeln an glorreiche Taten für das Vaterland erinnerten und ihrer Kriegshelden gedachten, platzierte Sautter eine steinerne Friedensbotschaft in das Herzstück der Anlage. Auch diese Figur musste im Nationalsozialismus weichen. Sie wurde mit Bohlen belegt und erst im Nachgang zum Zweiten Weltkrieg wiederentdeckt.

FürMorgen-standort-11

„FürMorgen-standort-1-12“ findet einmal im Monat an zwölf verschiedenen Orten statt. Zu den ausgewählten Standorten gehörten das Olympiastadion Berlin, die Seelower Höhen in Brandenburg und das Wallraf-Richartz-Museum in Köln. In Kassel folgt Sander auf Pina und Via Lewandowsky, die sich bereits im Rahmen der Documenta IX mit Hans Sautters unbekanntem Soldaten befassten.

Die Performance in Kassel hat der Landesverband Hessen im Volksbund begleitet. Als Kooperationspartner des Museumsverbundes Hessen Kassel Heritage, zu dessen Liegenschaften das Mahnmal in der Aue zählt, bietet der Landesverband seit 2020 Bildungsprogramme an, die die Geschichte der Gedenkstätte beleuchten. Neben öffentlichen und buchbaren Führungen gibt es Projekttage mit Auszubildenden der Bundeswehr, Studierenden und Schulklassen.

Eine Dokumentation zu Finja Sanders Performance finden Sie hier: Westart : Lebendes Denkmal: Finja Sanders Performance 'Für Morgen' | ARD Mediathek

Über Sanders weitere Auseinandersetzungen mit der deutschen Erinnerungspraxis informieren die Galerien Jochen Hempel und burster.

(Text: MB)