Meldungen aus dem Landesverband Hessen
Meldungen aus dem Landesverband Hessen

Ihr Tod war gewollt

Vortrag des Volksbunds über Kinder von Zwangsarbeiterinnen

Grab von „Mine“ (Nina) Oleschko auf der Kriegsgräberstätte Kloster Arnsburg (Lkr. Gießen) G. Hartmann, LV Hessen

Mit einem Vortrag am 20. November 2023 in der Frankfurter Katholischen Akademie „Haus am Dom“ erinnerte der Landesverband Hessen an eine kaum bekannte Gruppe von Opfern der NS-Herrschaft: Kinder von Zwangsarbeiterinnen des Zweiten Weltkriegs aus Polen und Osteuropa. Die hohe – und vom Regime gewollte – Sterblichkeit dieser Kinder war Folge der schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen ihrer Mütter, von Unterernährung und mangelhafter medizinischer Versorgung.

Der Volksbund in Hessen und die Katholische Akademie in Frankfurt am Main sind im Frankfurter Netzwerk Erinnerungskultur miteinander verbunden. Der Vortragsabend im „Haus am Dom“ wurde von der Katholischen Akademie zusammen mit dem Volksbund und der Landesinitiative Polnischsprachiger Eltern und Familien Hessen (LPEF) e. V. veranstaltet. Er wurde abschnittsweise ins Polnische übersetzt und ist in einem Podcast gespeichert.

Exemplarische Schicksale

Im Vortrag stellte Dr. Götz Hartmann, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt des Volksbunds in Hessen, auf der Grundlage von Quellen aus dem Stadtarchiv der Landeshauptstadt Wiesbaden die exemplarischen Schicksale von zwei Frauen aus Polen vor. Beide leisteten Zwangsarbeit in Wiesbadener Landwirtschaftsbetrieben und brachten in dieser Zeit Kinder zur Welt, die bereits im Säuglingsalter verstarben. Der Umgang der deutschen Verantwortlichen mit den Gräbern ihrer beiden Kinder nach 1945 war ein zweiter Schwerpunkt des Vortrags: Im Einklang mit entsprechenden Verwaltungsvorschriften wurden sie bereits in den 1950er Jahren von der Wiesbadener Friedhofsverwaltung eingeebnet.

Nina Oleschko, verstorben im Alter von fünf Wochen

„Gräber und Einzelschicksale von Kindern von Zwangsarbeiterinnen waren bereits mehrfach ein Arbeitsthema im Forschungsprojekt des Volksbunds in Hessen, und sie werden es weiterhin bleiben“, sagte Götz Hartmann. Als Beispiel für die Dokumentation eines Einzelschicksals am Grab eines Kindes stellte er die Stele für Nina Oleschko vor. Das Mädchen starb 1945 im Alter von fünf Wochen in einem Dorf in Mittelhessen. Als der Volksbund 1959 die Kriegsgräberstätte Kloster Arnsburg anlegte, nicht weit vom Sterbeort Nina Oleschkos entfernt, schuf er dort auch für sie ein Grab. An diesem finden Besucherinnen und Besucher seit 2019 die Stele aus Cortenstahl, auf der als Ergebnis der Forschungen des Landesverbandes das Schicksal des Kindes dokumentiert ist.

Geboren in ein bedrohtes Leben – ein Ausstellungsbeitrag des Volksbunds in Hessen

Eine Gelegenheit, das Thema als eigenständigen Schwerpunkt im Forschungsprojekt zu bearbeiten, ergab sich 2020/2021 aus der Kooperation des Volksbunds in Hessen mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung. Für eine geplante Ausstellung zur Geschichte des Hebammen-Berufs in Hessen regte die Landeszentrale damals eine Beteiligung des Volksbunds an.

Dies bot die Chance, mit den aus der „Volksgemeinschaft“ der Jahre 1933–1945 ausgegrenzten Kindern an zwei Gruppen von Opfern der NS-Herrschaft zu erinnern, die im öffentlichen Bewusstsein bis heute nur wenig präsent sind: Kinder von Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa sowie die Mordopfer der NS-„Kinderfachabteilungen“, die wegen Krankheit oder Behinderung den Normen der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ nicht entsprachen. Außerdem konnte der Landesverband in seinem Ausstellungsbeitrag „Geboren in ein bedrohtes Leben“ dokumentieren, wie wechselnde Rechtslagen und Verwaltungsvorschriften den Umgang mit den Gräbern dieser Kinder nach 1945 bestimmt haben.

Die Rollup-Wanderausstellung „Hebammen in Hessen – Gestern und Heute“ ist in Kooperation der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung mit dem Volksbund in Hessen, der Hochschule Fulda und der Kommunalen Frauenbeauftragten der Landeshauptstadt Wiesbaden entstanden. Sie steht seit 2021 sowohl digital zum Download als auch analog zur Ausleihe kostenlos zur Verfügung.