Meldungen aus dem Landesverband Hessen
Meldungen aus dem Landesverband Hessen

Studienfahrt: Eine schwierige Erinnerung

Hessische Schülerinnen und Schüler besuchen die Emilia-Romagna

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studienfahrt während einer ersten Kennenlernrunde vor der Friedensschule Monte Sole. Wiebke Bathe/Landesverband Hessen


Caprara di Sopra, Casaglia, Cerpiano - kleine Ortschaften am Monte Sole, einem Hügeldreieck zwischen den Flüssen Setta und Reno, rund dreißig Kilometer südlich von Bologna gelegen. Die Orte wurden am Ende des Zweiten Weltkrieges zum Schauplatz eines Kriegsverbrechens der deutschen Besatzer an der dortigen italienischen Zivilbevölkerung, bei dem über 770 Zivilisten ermordet wurden. Zwischen dem 29. September und dem 1. Oktober 1944 zerstörten SS-Einheiten zahlreiche Dörfer in der Region und töteten vor allem alte Männer, Frauen und Kinder.

An diesem Ort, gelegen im Historischen Park Monte Sole, wurde 2002 die Fondazione Scuola di Pace Monte Sole (Stiftung Friedensschule Monte Sole) gegründet, finanziell unterstützt auch von der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung. Als Ort der Erinnerung und des Gedenkens bietet die Friedensschule den Besuchern unterschiedliche Workshops zur Aufarbeitung der historischen Ereignisse und insbesondere der Mechanismen, die Verbrechen wie die am Monte Sole möglich machten.

 

Die Gedenkorte am Monte Sole

Die sechstägige Studienfahrt “Eine schwierige Erinnerung - Perspektiven der deutschen Besetzung Italiens im Zweiten Weltkrieg”, die vom 8. bis 14. September 2024 stattfand, begann für die neunzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Friedensschule: im Rahmen eines “Memory Walks” besuchten sie die Erinnerungsorte am Monte Sole und setzten sich in anschließenden Workshops zusammen mit den Referenten  der Friedensschule vor allem mit einer Frage auseinander: Was führt dazu, dass Menschen unvollstellbare Verbrechen begehen?

Der “Memory Walk” führte zunächst zu den Ruinen des Dorfes Caprara di Sopra, damals die größte Ortschaft in der Umgebung. Zum Zeitpunkt des Massakers lebten hier noch dreizehn Familien, es gab ein Lebensmittelgeschäft, eine Gaststätte sowie einige Bauernhäuser. Heute sind nur noch die Fundamente einiger Gebäude  sowie wenige wiedererrichtete Mauern zu sehen. 
Nicht weit von Caprara entfernt lag das Dorf Casaglia - seine Kirchenruine und der Friedhof erinnern bis heute an die dort verübten Verbrechen: Am Morgen des 29. Dezember 1944 hatten sich rund einhundert Menschen in die Kirche Santa Maria Assunta geflüchtet. Sie wurden von den eintreffenden SS-Einheiten zum nahegelegenen Friedhof getrieben und dort erschossen - nur acht Personen überlebten dieses Massaker.
Besonders anschaulich wurde der Besuch durch den Zeitzeugenbericht der damals achtzehnjährigen Cornelia Passelli - ihre und weitere persönliche Erinnerungen hat die Friedensschule zusammengetragen.

Ambivalente Erinnerung: Futa-Pass und Costermano

Eine kontrastierende Perspektive bot der Besuch zweier deutscher Kriegsgräberstätten: Futa-Pass und Costermano.

Auf der Kriegsgräberstätte Futa-Pass, der größten deutschen Kriegsgräberstätte in Italien, ruhen rund 30.000 Gefallene - die meisten starben während der Kämpfe um die sogenannte Gotenstellung. Auf halbem Weg zwischen Bologna und Florenz, bietet die Kriegsgräberstätte einen durchaus eindrucksvollen Anblick: In zweiundsiebzig Terassen angelegt, umwunden von einer zwei Kilometern langen Mauer, die sich spiralförmig den Berg hinauswindet, ist die Gräberstätte von keinem Ort aus vollständig zu überblicken. Eingeweiht wirde die Kriegsgräberstätte im Juni 1969. Die Toten wurden aus zehn umliegenden Provinzen auf die Kriegsgräberstätte hierher umgebettet - auch aus der Provinz Bologna, in der der Monte Sole gelegen ist.

Dies gilt auch für die Kriegsgräberstätte Costermano. Nach Stationen in Bologna und Verona, stellte Costermano den letzten Programmpunkt der Reise dar. Oberhalb des Gardasees liegt die Kriegsgräberstätte mit knapp 22.000 Toten. Seit einigen Jahren informiert eine Ausstellung über die ambivalente Erinnerung auf der Kriegsgräberstätte: unter den Kriegstoten befinden sich nachweislich auch Personen, die Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben oder daran beteiligt waren.
Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern stießen die Ausstellung und insbesondere die Aufarbeitung unterschiedlicher Biografien auf viel positive Resonanz: Nur auf diese Weise, so der einheitliche Tenor, kann man sich mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen und die Erinnerung an das Geschehene wach halten.

Wir danken der Heinz-und-Traute-Schulz-Stiftung sowie der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung für die finanzielle Unterstützung.

(Text: WB)