Projekte aus dem Landesverband Hessen

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„Menschenrechte und Krieg“

Seminarprojekt an der Philipps-Universität Marburg

Am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg fand im Wintersemester 2016/17 ein interdisziplinäres Seminar zum Thema „Menschenrechte und Krieg“ statt, welches von der Stiftung Gedenken und Frieden und dem Landesverband Hessen finanziell gefördert wurde.

Krieg steht in einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis zu den Menschenrechten. Am offensichtlichsten betrifft dies das zentralste dieser Rechte, das Recht auf Leben (und daraus abgeleitet: körperliche Unversehrtheit), das sowohl unter den kämpfenden Soldatinnen und Soldaten als auch unter der in Kriegsgeschehnisse verwickelten Zivilbevölkerung millionenfach gebrochen wurde und immer wieder verletzt wird. Aber auch die meisten anderen Menschenrechte werden durch Kriegsvorbereitungen und –handlungen beeinträchtigt.

Ausgehend von der Annahme der ersten Genfer Rot-Kreuz-Konvention von 1864 zur Verbesserung des Loses von Verwundeten entwickelte sich das humanitäre Völkerrecht als die Summe der Rechtsnormen zur Mäßigung der Kriegführung und Linderung des Leides im Krieg. Die wichtigsten sind die Haager Abkommen von 1899 und 1907 sowie die 1949 verabschiedeten vier Genfer Abkommen, die heute universelle Geltung genießen, und deren Zusatzprotokolle, in denen z.B. der Schutz von Kriegsgräberstätten geregelt ist.

Das Seminar bestand aus drei Blockveranstaltungen und wurde von Simone Emmert, LL.M.Eur., und Prof. Dr. Berthold Meyer geleitet. Es nahmen 14 Studierende aus verschiedenen Studienfächern daran teil, teils Bachelor-, teils Masterstudierende. Im Seminar sollte nicht nur den verschiedenen Facetten der Verletzungen von Menschenrechten durch Kriegshandlungen sowie den internationalen Bemühungen, diese einzuschränken, nachgegangen werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten auch dafür sensibilisiert werden, wie gegen Verletzungen und Einschränkungen von Menschenrechten präventiv vorgegangen werden kann.

Die Sensibilisierung der Teilnehmenden war ein wichtiger Bestandteil des Seminarkonzeptes. Hierfür wurden im ersten Block Anti-Bias-Übungen eingesetzt. Sie ermöglichen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern interaktiv Diskriminierungen durch Andere am eigenen Leib zu erfahren und durch die Hinführung zu einer gewaltfreien Kommunikation zu erkennen, wie leicht sie selbst schon durch Sprachnachlässigkeit Andere diskriminieren sowie dass Aufmerksamkeit für das eigene (Sprach-)Verhalten und Respekt für Andere gut eingeübt werden können. Anschließend ging es um die mit dem Gesamtthema zusammenhängenden rechtlichen Fragen, insbesondere um die völkerrechtliche Zulässigkeit „humanitärer Interventionen“ in Bürgerkriegssituationen.

In den beiden weiteren Blöcken standen einzelne Aspekte von Menschenrechtsverletzungen in Kriegen und Bürgerkriegen und Fallstudien, welche von den Studierenden erarbeitet wurden, im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen. Die Gesamtheit der gewählten Themen lässt sich in vier Gruppen grob aufteilen:

1.      Krieg / Bürgerkrieg / Humanitäre Intervention

2.      Rüstungsentwicklung und Menschenrechte

3.      Flucht und Migration aus Kriegsgebieten

4.      Nachkriegssituationen und Prävention

Die erste Themengruppe behandelte u.a. „Die Folter von Kriegsgefangenen und das Problem der Konstruktion des ‚Unlawful Enemy Combattant‘“; „Befehl und Gehorsam bei Kriegshandlungen – sind Täter zugleich Opfer?“ sowie „Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und das humanitäre Völkerrecht“. Ein Thema der zweiten Gruppe war „Drohnen als Mittel der Kriegführung – Verstoß gegen das Recht, sich gegen Angriffe zu wehren“. In der dritten Gruppe wurde eine Fallstudie über „Menschenrechte und Abschiebepraxis in Kirgisistan“ vorgestellt. In der letzten Gruppe gab es ein Doppelreferat über Kindersoldaten in Uganda, wobei es einerseits darum ging, dass Menschenrechte schon massiv durch die Rekrutierung von Kindern verletzt werden und zum anderen um die großen Schwierigkeiten, ehemalige Kindersoldaten wieder in die zivile Gesellschaft zu integrieren.

Der dritte Block begann zufällig am Holocaust-Gedenktag 2017. Dies nahmen wir zum Anlass, mit einer Diskussion über die Gedenkkultur einzusteigen und dabei auch auf Kriegsgräberfriedhöfe zu sprechen zu kommen. Kontrovers wurde darüber diskutiert, inwieweit es moralisch vertretbar ist, Täter und Opfer auf demselben Friedhof zu bestatten. Ein klares pro-Argument war: „Egal, was einer gemacht hat, man muss um ihn trauern dürfen.“ Ein interessanter Gesichtspunkt war: Wenn es getrennte Friedhöfe gäbe, wer würde sich trauen, auf den für die Täter zu gehen? Eine Studentin meinte: „Ich würde auf keinen Friedhof gehen, auf dem ich niemanden kenne. Deshalb ist es besser, wenn einem überall in den Städten Stolpersteine begegnen.“