Meldungen aus dem Landesverband Hessen
Meldungen aus dem Landesverband Hessen

Volksbund-Forschung trifft Regionalgeschichte

Beitrag zur Kriegsgräberstätte Schlüchtern im „Bergwinkel-Boten“ des Main-Kinzig-Kreises veröffentlicht

Grab eines unbekannten KZ-Häftlings auf der Kriegsgräberstätte Schlüchtern G. Hartmann, LV Hessen


Alljährlich zum herbstlichen Heimatfest „Kalter Markt“ erscheint im Main-Kinzig-Kreis der „Bergwinkel-Bote“. Die regionalgeschichtliche Zeitschrift hat ihren Namen von der traditionellen Bezeichnung für den Landstrich im „Winkel“ zwischen den Mittelgebirgen Spessart, Rhön und Vogelsberg. Das neue Heft für 2024 enthält einen Beitrag zur Kriegsgräberstätte Schlüchtern, der im historischen Forschungsprojekt des Volksbunds in Hessen erarbeitet wurde. Landrat Thorsten Stolz (SPD) stellte den aktuellen „Boten“ Anfang November in Schlüchtern der Öffentlichkeit vor.

Kriegsgräberstätte Schlüchtern: Friedhof für 338 Tote

Die Kriegsgräberstätte im Zentrum von Schlüchtern wurde vom Volksbund angelegt und 1963 eingeweiht. 338 Tote sind hier bestattet. Fast alle starben im Zweiten Weltkrieg, die meisten im März und April 1945: Soldaten der Wehrmacht und Waffen-SS, KZ-Häftlinge, die auf einem Todesmarsch aus den Frankfurter Adlerwerken ermordet wurden, und zivile Kriegstote der deutschen Bevölkerung. Neben ihnen sind sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Osteuropa begraben, außerdem vier Tote des Ersten Weltkriegs. 91 Tote sind Unbekannte. Zu diesen zählen die 20 hier bestatteten Männer, die nach derzeitigem Forschungsstand mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit Opfer des Todesmarsches aus den Adlerwerken waren.

Die Gräber der Opfer des Todesmarsches sind allerdings nicht als solche gekennzeichnet, sondern lediglich mit den Aufschriften „Ein unbekannter Kriegstoter“ oder „Ein unbekannter polnischer Kriegstoter“ versehen. Nachweislich falsch markiert sind zudem die Gräber einer Gruppe von acht Toten, die als „unbekannte deutsche Soldaten“ auf der Kriegsgräberstätte beigesetzt wurden. Nach heutigem Kenntnisstand waren jedoch auch sie in Wirklichkeit Opfer des Todesmarsches.

Zwei Tote, drei Gräber?

Von den Opfern des Todesmarsches handelt auch der Volksbund-Beitrag zum „Bergwinkel-Boten“ 2024. Dr. Götz Hartmann, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Volksbunds in Hessen das Forschungsprojekt betreut, geht der überraschend schwierig zu beantwortenden Frage nach, wo genau auf der Kriegsgräberstätte die Gebeine von zwei Männern aus der Marschkolonne bestattet sind, die erst im September 1963 bei Straßenbauarbeiten im Kinzigtal entdeckt wurden. Ein Missverständnis bewirkte, dass zur Aufnahme der sterblichen Überreste dieser beiden Toten drei Gräber bestimmt wurden. Aus den Schriftquellen lässt sich heute nicht mehr klären, wie die Umbetter mit der Situation umgingen, als sie den Irrtum bemerkten. Nachweisen lässt sich allerdings, an welcher Stelle der amtlichen Kommunikation über die Gebeinfunde das Missverständnis aufkam – und auch, dass es in den offiziellen Dokumenten nie korrigiert wurde.

Die Kriegsgräberstätte im Forschungsprojekt

Die Kriegsgräberstätte Schlüchtern war schon früh Arbeitsschwerpunkt im Forschungsprojekt. Grundlegende Informationen zur Geschichte der Anlage und den auf ihr bestatteten Toten wurden 2003 auf einer Informationstafel dokumentiert. In der zweiten Arbeitsphase des Projekts wurden weiterführende Informationen in einem Flyer zusammengestellt, zusätzlich wurde eine pädagogische Handreichung erarbeitet. Einzelschicksale wurden recherchiert und in der Lernstation Kriegsgräberstätte im Bildungshaus Main-Kinzig in Gelnhausen dokumentiert.

Mit der Zeit wurde jedoch deutlich, dass die Angaben auf der Informationstafel, im Flyer und in der Handreichung einen teilweise überholten Forschungsstand repräsentierten. Dies galt insbesondere für die Informationen zum Todesmarsch aus den Adlerwerken: Während die Informationstafel von 2003 lediglich sechs auf der Kriegsgräberstätte beigesetzte Opfer dieses Verbrechens erwähnte, war spätestens seit 2017 von einer mehr als dreimal höheren Gesamtzahl auszugehen.

Neue Informationstafel 2023

Mit der Wiederaufnahme der Forschung im Jahr 2022 sollte der Kenntnisstand zur Kriegsgräberstätte aktualisiert und auf einer neuen Informationstafel öffentlich zugänglich gemacht werden. Dabei sollte insbesondere die Anzahl der in Schlüchtern bestatteten Opfer des Todesmarsches zutreffend wiedergegeben werden. Ein Lageplan sollte ihre Gräber kenntlich machen. In einer Feierstunde am 27. März 2023, dem 78. Jahrestag des Tages im März 1945, an dem die Marschkolonne Schlüchtern passierte, wurde die neue Informationstafel der Öffentlichkeit übergeben.

Der „Bergwinkel-Bote“ 2024 kostet 7,90 Euro und kann an folgenden Stellen im Main-Kinzig-Kreis erworben werden:

  • Main-Kinzig-Forum Gelnhausen
  • Buchhandlung „Dichtung & Wahrheit“ Wächtersbach
  • Stadtverwaltung Bad Soden-Salmünster
  • Verkehrsbüro Steinau an der Straße
  • Gemeindeverwaltung und Elektro Melk Schlüchtern-Sterbfritz
  • Kinzigtal Nachrichten
  • Buchhandlung „Karmann’s Schöne Seiten“ Schlüchtern
  • Tourist-Info Schlüchtern

(20.11.2023)